August Burns Red fegen auf der „Phantom Anthem Tour“ wie ein Feuer durch Frankfurt
Wer hätte gedacht, dass das friedliche Lancaster in Pennsylvania, wo sich Amish People auf Pferdekutschen mit Pick Ups und Corvettes die Straße teilen, die Brutstätte für eine der innovativsten Metalsbands der letzten Jahre sein würde? Immerhin testen August Burns Red an diesem (frühen) Abend des 16.11.2018 in der Batschkapp Frankfurt die Grenzen des Genres aus und liefern ein zündendes Konzert. Mit Betraying the Martyrs und Wage War sind sie damit in bester Gesellschaft.
Pünktlich um 18:30 Uhr beginnen Betraying The Martyrs mit ihrem kruden Mix aus Deathcore und elektronischen Elementen. Der frühe Beginn erinnert an die All Ages Konzerte, die v.a. in den USA alltäglich sind, damit auch jüngere Teenager ihren Durst nach Metal und Hardcore stillen können und (zur Zufriedenheit der Eltern) trotzdem früh genug ins Bett kommen.
Wage War aus Florida treten als nächstes an. Sie brauchen eine kleine Aufwärmphase, aber der Funke spring schnelll über, und je mehr Sänger Briton Bond die Menge zum Circle Pit ermutigt desto mehr Bühnenpräsens gewinnt die Band, indem sie aus dem Schatten ins Licht tritt. Mit roher Stimme lässt Bond die Halle beben und erntet viel Applaus. Der Wechsel aus harmonischem Gesang von Gitarrist Cody während er die EMGs quält, geben den Songs Struktur und sorgen für Abwechslung.
Es tummeln sich Architects-, Eskimo Callboy- Monuments- und Dillinger Escape Plan- Shirts in der Menge, all diese Bands, die man auch als Brüder im Geiste der Headliner betrachten könnte. Das teils noch recht junge Publikum ist eine heterogene Masse aus Jungs und Mädels. So expressiv wie die Bands sich bewegen, so tun sie es auch, denn die Musik lebt von der brachialen Energie fetter Riffs ebenso wie von melodischen Gitarrenläufen, welche Metalcore eben vom Hardcore der Neunziger abhebt, die schweren Riffs, die eben in besagter Era für die Wucht, den Druck, die Aggressivität der Songs sorgten, nehmen dem sologeprägten Metal das „Verkopfte“ und verleihen den Songs etwas Direktes, Unmittelbares. Das Publikum ist mit der Umsetzung sichtlich zufrieden.
Nach kurzer Umbaupause entern August Burns Red unter begeistertem Beifall die Bühne. Der Headliner strotz vor Selbstbewusstsein aufgrund der offenbar bisher erfolgreich verlaufenden Tour, und der Schweiß dringt schell aus allen Poren, denn die Jungs gönnen sich (und uns) Pause. Wie ein Messias beschwört uns Sänger Jake während die Gitarristen virtuos zu den Openern „King of Sorrow“ und „Invisible Enemy“ über das Griffbrett fetzen (JB wie gewohnt in FlipFlops, was die Band in sozialen Netzwerken bereits heiß diskutieren ließ).
Es ist eine Freude den Fans zuzusehen, denn die zeigen dedication, das spornt die Bandmitglieder an alles in die Show zu legen. Und die hat es in sich, denn was Oma alles in einen Topf mit „Krachmusik“ stecken würde, hebt sich tatsächlich von der Masse neuer Metalcorebands ab. Bereits ab dem ersten treiben die ersten Stagediver auf den Begeisterungswellen nach vorne in den Graben.
Mit „The Frost“ wird Shouter Jake eine kurze Pause gegönnt, denn sonst faucht und schreit, growlt und singt er, als sei dieses Konzert sein letzter Wunsch vor dem Ableben. Jakes Spiele mit dem Mikro, der Albtraum jedes Tontechnikers, ist zu seinem Markenzeichen geworden. Die Doublebassattacke von Drummer Matt wird durch die Stroboskobsalven in die Luft gefeuert, und immer wenn man glaubt es ginge kaum schneller, legen die vier überzeugten Christen noch einen Gang zu. Was im Chaos zu enden droht findet seinen Weg stets wieder zielgerichtet in einem schnellen Gitarrenlauf. JB Brubaker, der Ausnahmegitarrist mit seiner grünen filigranen Ibanez mit Rennstreifen, steht in Kontrast zu manchen Testosteronochsen der Hardcoreszene, und repräsentiert eine neue junge Generation talentierter Gitarrenspieler. Technisch schnell und perfekt, denn die Band spielt bei aller Energie stets tight und auf hohem Niveau.
Mit „Ghosts“ wird es kurz ein wenig ruhiger, aber düster mit durchdringenden Bässen taucht die Band in Kaltes blaues Licht. Vor der Bühne tobt der Pogo, ein Schuh wird hochgehalten und als vermisst gemeldet, das Tempo zieht schon wieder an. Mit dem letzten Song „Empire beschließt ABR um 21 Uhr vorerst den Abend und gönnt meinem Körper ein kurze Pause, der sich anfühlt, als sei er von einem LKW überrollt worden.
Mit Luftwachtsirenen und Suchlichtern wird Drummer Matt durch ein intensives Drumsolo in die Zugabe getrieben, bevor die Band für zwei weiter Songs auf die Bühne kommt, “Float” und „White Washed“, bei welchem Sänger Jake die Herde der Lemminge teilt, die sich bereitwillig die Schädel einrennen. Hypnotisch! In der Zwischenzeit sieht man den Schuh fliegen, der heute vielleicht nicht mehr an seinen Bestimmungsort zurückkehren wird. Ein Normalsterblicher kann kaum verstehen, wie Jake seine Ansagen zum Konzertende noch mit klarer Stimme artikulieren kann und warum nach dieser stimmlichen Leistung seine Stimmbänder nicht in blutigen Fetzen herunterhängen.
Als die Lichter angehen, tummelt sich die Band zum Meet & Greet noch bestens gelaunt im Securitygraben, während die Roadies schon die verbrannte Erde zusammenkehren, welche der Abend hinterlassen hat. Morgen geht es schon weiter auf ihrer Tour durch Europa. Wir sind beeindruckt und freuen uns jetzt schon auf die nächste Tour!