AC/DCs Rock n’ Roll-Show der Superlative am Hockenheimring

AC/DCs Rock n’ Roll-Show der Superlative am Hockenheimring
AC/DC - Hockenheimring 13.07.2024

Die Auferstehung der Rocktitanen AC/DC: Auf die Platte, mit der keiner gerechnet hat, folgt die gleichnamige “Power Up”-Tour, die nach dem Tod von Gründungsmitglied Malcolm Young einer Auferstehung gleicht. Die Rocktitanen aus Australien kehren nach Ausstieg von Bassist Cliff Williams, besagtem Todesfall und dem Ausfall von Brian Johnson nach fast neun Jahren wieder auf Europas Bühnen zurück, davon acht Mal in Deutschland. Am legendären Hockenheimring konnten wir uns zusammen mit über 100.000 Fans am 13.07.2024 vergewissern, dass die Australier es noch können, den schnörkellosen Rock n’ Roll!

Schon zu Beginn stehen wir etwas unter Strom, bis wir den Weg zu den uns zugedachten Plätzen bahnen können. Ein Event dieser Größenordnung verlangt einem trotz sorgfältiger Planung etwas Geduld ab. Vor der Location herrscht reges Markttreiben und das aktuelle Merchandise ist trotz teilweise stolzer Preisgestaltung schnell dezimiert oder ausverkauft.

Nachdem sich bei bestem Wetter der Innenraum vor der gigantischen Bühne und die Tribünen gefüllt haben und man mit dem neuesten Tour-Shirt ausgestattet die ersten Biere erworben hat, beginnen bei tief stehender Sonne die US-Hardrock-Alternative-Band The Pretty Reckless. Frontfrau, Model und Schauspielerin Taylor Momsen ist der Dreh- und Angelpunkt der Bühnenshow. Sie weiß den Bühnenraum zu nutzen, mit lasziven Posen wirft sie ihre Haare zu Songs wie “Death by Rock n’ Roll” oder “Heaven Knows”. Man kann der New Yorker Band nicht vorwerfen, dass sie die Massen nicht mobilisieren kann. Gefälliger Hardrocksound und Taylors Rockröhre schallen mit weit getragenem Echo über das Gelände und werden mit Applaus quittiert. Ein perfekter Einstieg in den Abend.

Wie ein Ameisenstaat bewegen sich die über 100.000 Menschen in der Umbaupause, um ein letztes Getränk zu bestellen oder etwas zu essen. Die VIPs und der Fanclub “We Salute you” auf dem Porsche-Gebäude hingegen sind da eher passiv. Ein Raunen geht durch die Menge, als ein animiertes Video von einem hochmotorisierten Ford Mustang erscheint, während die Band pünktlich um halb neun auf die Bühne kommt und gleich loslegt. “If You Want Blood (You Got It)” vom “Highway to Hell”-Album klingt fast wie eine Kampfansage, unterstreicht den eingangs erwähnten Auferstehungscharakter der Band, so als wolle man zeigen, dass man trotz der Verluste der letzten Bandjahre nicht totzukriegen ist.

Große Bildschirme an den Boxenpfeilern und neben der Bühnenfläche erleichtern (oder verwehren von der Tribüne aus) den Blick auf die gigantische Bühne. So mancher Fan im Golden Circle wird sich wohl gefragt haben, ob die exklusive Nähe zu den Musikern vor der fast vier Meter hohen Bühnenkante wirklich einen Vorteil bietet, aber die Stars zeigen sich agil und sind viel in Bewegung. Bereits nach dem ersten Song war Angus schon an jeder Ecke der riesigen Bühne und Sänger Brian Johnson nimmt sein anfangs verkündetes Credo wörtlich: “Let’s just have some fun and play some Rock n’ Roll”.

Nach der längeren Bühnenabstinenz ist er sichtlich überwältigt von der Menschenmenge und der Energie der Fangesänge. Johnson, der mit fast 77 Jahren nicht mehr ganz den jugendlichen Elan und die stimmliche Power früherer Zeiten vorweisen kann, ist dennoch voll in seiner Rolle. Er reagiert auf das Publikum, ist ständig in Bewegung, krümmt und windet sich für die hohen Gesangspassagen und hat ein Blitzen in den Augen. Unprätentiös in schwarz verkörpert Brian mit deiner Newsboy-Mütze ganz unbewusst den Working-Class-Charme der Anfangsjahre, als der junge Mann aus Dunston, einem kleinen Ort bei Newcastle/England, den verstorbenen Bon Scott ersetzte und die Band mit “Back in Black” schließlich noch größere Erfolge feierte als zuvor. Und dieser Erfolg hallt bis zum heutigen Konzert nach, denn nach genanntem Opener spielen AC/DC “Back in Black” und das Publikum feiert sie unter frenetischem Applaus! Es folgt das stürmische und groovige “Demon Fire” von der neuen Platte und die Stimmung hält an. Überhaupt sollte nicht unerwähnt bleiben, wie grandios die Setlist des Abends zu dessen Erfolg beiträgt. Ein Querschnitt durch die Karriere mit den wichtigsten Stationen der Bandgeschichte: Im Mittelpunkt stehen die essentiellen Perlen von den Alben “Back in Black” und “Highway to Hell”, und doch findet sich wenigstens ein Song aus jeder Schaffensphase wieder. Es klingt alles wie aus einem Guss, wie ein gut produziertes Album! Neben ein paar Animationseinspielungen konzentriert sich das Bühnengeschehen größtenteils auf die agierenden Musiker. Zu “Hells Bells” wird dann aber doch die riesige Glocke heruntergelassen, nach deren erstem Schlag bereits jeder Bescheid weiß, was folgen wird.

Angus hat mittlerweile aufgrund des schweißtreibenden Spiels das Jacket seiner charakteristischen Schuluniform abgelegt. Auch wenn man dem enigmatischen Gitarristen mit seinen schlohweißen Haaren den Schoolboy nicht mehr abnimmt, wäre es doch enttäuschend, ihn ohne dieses Outfit auf der Bühne zu sehen. Als Musiker, der eine ganze Generation Gitarristen und deren Spiel geprägt hat, muss er zwar niemand mehr etwas beweisen, ist sich seiner Aufgabe aber bewusst. Souverän eröffnet er die Songs mit Riffs von so hohem Wiedererkennungswert, dass man den Song bereits nach dem ersten Takt erkennt. Wie ein Getriebener springt, tänzelt und schreddert Angus durch die Riffs, malträtiert seine Gibson SGs, ein weiteres Markenzeichen, das er im Laufe seiner langen Karriere geprägt hat, und macht dabei gelegentlich seine Grimassen. Die Sonne ist nun endgültig untergegangen und zahlreiche Teufelshörner blinken auf den Köpfen der Fans. Ein ganzes Meer davon lässt das Versprechen vom Highway to Hell wahr werden.

Zum Ende des Sets setzt Angus mit einem ausgedehnten Solo zum Höhepunkt der Show an. Er tritt nach vorne auf den Teil der Bühne, der ins Publikum ragt, ringt mit den Bluenotes und windet sich wie im Kampf mit bösen Mächten auf einem Podest, geht zu Boden und erhebt sich wieder im Konfettisturm, während das Podest etwas in die Höhe ragt. Angus kommuniziert mit dem Publikum ohne ein einziges Wort ins Mikro zu sprechen, und er weiß doch, dass jeder ihn versteht. Am Ende des Solos wirkt er erleichtert und als hätte ihn eine Zeitmaschine ausgespuckt. Die Stimmung ist gigantisch und nach “Let There Be Rock” verlässt AC/DC unter tosendem Applaus die Bühne. Mit “TNT” und dem kultigen “For Those About To Rock (We Salute You)”, das aus allen Kehlen mitgesungen wird, findet die über zweistündige Rockshow ihr fulminantes Ende.

Fotos: Andreas Schieler

Sebastian Wienert

Redakteur und Fotograf