Arch Enemy überzeugen bei „Will To Power“-Tour auf ganzer Linie

Arch Enemy überzeugen bei „Will To Power“-Tour auf ganzer Linie

Wer das „Will To Power“-Programm in vollen Zügen miterleben wollte, hat nicht nur früh aufstehen müssen, sondern auch viel Ausdauer mitbringen müssen. Denn auf der Arch Enemy Tour 2018 stehen gleich vier Bands auf dem vielversprechenden Programm, um mitten in der Woche im Februar sowohl im Schlachthof Wiesbaden als auch am Tag danach in der Garage Saarbrücken richtig hart zu rocken.

Pünktlich um 18.15 Uhr stürmen Jinjer die Bretter im Schlachthof. Zu den schnellen Riffs der beiden Saitenspieler wirbelt Sängerin Tatiana Shmailyuk, die quirlige Frontfrau der urkainischen Formation, unermüdlich umher – eine Herausforderung für alle Fotografen. Etwa 30 Minuten spielt das Metalcore-Quartett ihr energisches Repertoire, das sich musikalisch ganz in den Stil des Headliners einfügt, sowohl im Growling ebenso wie Klargesang als auch in den schnellen Riffs, jedoch weniger abwechslungsreich im Gesamtbild. Jinjer, die beim anschließenden Konzert in Saarbrücken ihren letzten Auftritt bei der Tour haben, haben ihre Fans auch mit nach Wiesbaden gebracht und diese feiern zu Recht ihre Band lautstark. Nicht weniger laut aber dafür düster-melancholisch geht es im Anschluss mit Tribulation weiter. Dementsprechend ruhiger und langsamer wird es in der Halle, mit einer Ausnahme. Der Gitarrist rechts des Sängers taumelt in seiner femininen Art ähnlich eines Ausdrucktänzers mit seinem Instrument unaufhörlich auf der Bühne umher. Stets erschallt dabei der tiefe, raue Gesang in stoischer Stimmlage, die hin und wieder von klirrenden Gitarreneinlagen unterbrochen wird. Die vier Schweden von teilweise androgyner Erscheinung, wobei alle in schwarz gekleidet sind, spielen in überwiegend mageren grünen Licht, was die Darbietung optisch passend abrundet. Zwar fallen Tribulation stilistisch aus dem Billing des heutigen Konzertabends, jedoch polarisieren auch sie die angereiste Menge. Während einige eher passiv abwartend in der Halle stehen, zeigen sich viele von Songs wie  „Lady Death“ begeistert und bewegen sich gemächlich zum schweren Sound der Death-Metal-Band.

Nach einer kurzen Umbaupause kommen gegen 20 Uhr Wintersun zur Freude vieler angereister Fans auf die Bühne. Die fünf Finnen geben sich von Beginn an in ansteckender Spielfreude und lassen nach dem dunklen Intermezzo der vorherigen Band wieder die Stimmung auflodern. Mit melodischen Death-Metal, der stellenweise gekonnt mit akustischen Elementen gespickt ist, ist schnell Mitsingen und Pommesgabel-Schwenken angesagt. Zwischendurch verlässt der Sänger Jari Mäenpää die Bühne, um für den Intrumentalteil das Rampenlicht seinen Bandkollegen zu überlassen. Doch größtenteils steht Jari in Fokus der Scheinwerfer und animiert immer wieder zur Publikumsinteraktion, dem die Fans natürlich gerne folgen. Während sich die beiden Gitarristen eine ausgiebige Soloeinlage gönnen, trinkt der Frontmann auch mal gemütlich seinen Tee, um wenig später stimmgewaltig wieder einzusteigen. Wintersun präsentieren sich im Vergleich zu den beiden Bands im Vorfeld erfrischend abwechslungsreich, womit sie nach einem überzeugendem Auftritt den Schlachthof sowie in der Garage gebührend auf den Headliner vorbereiten.

Am Ende der Umbauphase läuft „Ace of Spades“ von der Anlage und wird in memoriam an Lemmy lautstark gewürdigt. Entsprechend angeheizt empfangen die Fans um 21 Uhr frenetisch Arch Enemy. Zu „The World Is Yours“ entern Alissa White-Gluz und ihre Männer unter Begeisterung der Menge die Bühne. Die Energie geladene Frontfrau tobt von Beginn an wie ein blauhaariger Wirbelwind ungebremst auf und ab. Klar, sie ist zurzeit und trotz des einzig verbleibenden Gründungsmitglieds Michael Amott der Medienmagnet. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass sie während ihrer zeitweise ausgedehnten Gesangspausen den Männern an ihrer Seite das Spotlight überlässt, was der gesamten Thrash-Metal-Band mehr als gerecht wird. Viele der Fans – auch die überdurchschnittlich vielen weiblichen – sind hergekommen, um endlich auch mal die neuen Songs aus dem aktuellen Album „Will To Power“ live zu erleben sowie die enorme Kraft hautnah zu spüren. Und das transportiert Arch Enemy heute Abend definitiv. Der kraftvolle Auftritt überträgt sich auf die Menge, die klatscht, singt und grölt. Auf einmal steigen Crowdsurfer aus der Masse, in der Mitte tobt der Moshpit und an vielen Stellen lassen die Metalheads ihre Haare fliegen. Vor allem die alten Songs wie „We Will Rise“ lassen das Fanherz sowohl sichtlich als auch hörbar höher schlagen. Aber auch das neue Material kommt richtig gut an. Lange Soli der Gitarristen und des Bassisten werden gefeiert, um kurz darauf zum Großteil growlenden Gesang der zierlichen Frontfrau mitzuhüpfen. Ansagen wie „Sing It“ sind eher rhetorisch, weil bei „As The Pages Burn“ eh schon der ganze Saal dabei ist: „You are fucking amazing, you are fucking loud“, wie sie treffenden bemerkt. Zu den Zugaben „Avalanche“, „Snow Bound“ brodelt die Stimmung unaufhörlich nach oben, was bis zum Ende nicht abreißt. Beim finalen Songs „Nemesis“ wird ein wieder ein ausgeprägtes Gitarrensolo mit Publikumsanimation eingepflegt, bevor die Band mit viel Jubel entlassen wird. Arch Enemy beweisen deutlich, dass sie ganz weit oben mitspielen. Sowohl die professionelle Bühnenpräsenz der gesamten Band als die musikalische Vielfalt – innerhalb ihres Genres wohlgemerkt – spiegeln den mit Abstand zurechten Headliner-Status. Klar, eine Frontfrau wie Alissa wirkt medial und wie live, aber ist nicht alleiniger Erfolgsgarant. So ist die Mitinszenierung der übrigen Bandmitglieder, die teilweise von Beginn an die Band prägen, umso erfreulicher. Arch Enemy haben sowohl in Wiesbaden als auch in Saarbrücken für einen gepflegten Abriss gesorgt und Lust auf weitere Konzerte gemacht.

Andreas Schieler

Leitung, Redakteur und Fotograf