Danzig – Ein Urgestein auf Tour

Danzig – Ein Urgestein auf Tour

Zum 30-jährigen Jubiläum seiner Kultband Danzig braucht US-Rocker Glenn Danzig das Rad nicht mehr neu erfinden und kann getrost auf einen reichhaltigen Katalog zurückblicken.  Das ehemalige Mitglied der legendären Misfits begibt sich auf große Tournee und lässt sich in Deutschland u.a. auf dem Wacken Festival und im Wiesbadener Kulturzentrum Schlachthof feiern.  

Die Ukrainer Stoned Jesus beginnen den Abend mit psychodelisch-bluesigem Stoner Rock. Das Trio spielt sich bei spartanischer Lightshow in Trance durch die Soundspiralen des Genres. Noch ist die Halle des ausverkauften Konzertes mäßig gefüllt, und Sänger und Gitarrist Ihor Sydorenko trägt die Bürde des Opening Acts für eine Rock Legende dieser Größenordnung mit Fassung und Selbstironie („We‘ re gonna play for the next 40 Minutes, don’t worry, it’s gonna be quick!“).

Souverän und selbstsicher legt das Trio daraufhin ihren erstaunlich dichten Soundteppich über die Zuhörer, deren Applaus dennoch (oder gerade deswegen) stetig lauter zu werden scheint. Lange Instrumental-Parts sind nicht immer eingängig genug, um alle mitzureißen, die bekifften Gottessöhne überraschen aber immer wieder mit ungewöhnlichen Tempiwechsel, harten Riffs aus der Doom Metal-Ecke und abwechslungsreichem Sound. „Mission erfüllt!“ denken sich am Ende auch die Zuschauer in den letzten Reihen der Halle und trägt sich im Geiste den 13. September ein, den da spielen Stoned Jesus mit den großartigen Motherschip im Kesselhaus des Kulturzentrums.

Um 21:40 betritt der Meister die in kaltes Blau getauchte Bühne und die Leute reagieren fast ehrfürchtig, doch rasch gehen die ersten Teufelshörner hoch, wo sonst nur Handydisplays auszumachen sind. Wenigstens eine gute Seite des strikten Fotografierverbots, welches der Presse für die gesamte Tour auferlegt wurde (Ausnahme Wacken). Auch wenn wir (und ihr) leider auf Fotos verzichten müssen/müsst, auf denen der Kultstar wie in früheren Zeiten Konzerte mit freiem Oberkörper absolvierte, so sei erwähnt, dass der 63-Jährige wohl auf dieser Tour wieder vollständig bekleidet auftritt. Was nicht heißt, dass er seine Bühnenpräsens verloren hat. Im Gegenteil, Danzig liefern eine kraftvolle Bühnenshow auch der Meister stimmlich manchmal an seine Grenzen zu stoßen scheint. Seine treuen Fans stören sich heute Abend aber nicht daran. Schwer dräuende Riffs und Glenn Danzig’s stetige Aufforderungen zum Mitsingen durchschneiden die warme Sommerluft der Halle und ab dem dritten Lied Not of this world sind die Leute da, wo Danzig sie haben will. 

Die Bühnenshow fokussiert sich v.a. auf den charismatischen Frontmann , der einerseits wie ein Derwisch über die Bühne fegt, andererseits seine hörige Rockarmee aufpeitscht wie ein Wikingeranführer seine Gefolgsmänner. Fäusteschwingend werden Männer aller Formate zu Rockgiganten, vereinen sich Fans der ersten Stunde mit jungen Alternativen, um Glenn in vorwiegend schwarzer Rüstung in die Schlacht zu Danzig zu folgen, wo auf jedem Hügel der Refrain des jeweiligen Songs mitgeschrien wird. Überhaupt wird viel geschrien, auch oder gerade auf der Bühne. 

Die Bühne bleibt weiterhin in Unheil verheißendes kaltes blaues Licht getaucht. Schwarz dominiert, wenn schwarzhaarige Männer mit schwarzer Kleidung auf schwarzen Instrumenten (durch schwarze Orangeboxen!) spielen. Die Venue bebt unter der Wucht, mit der die Band ein ausgewogenes Programm aus Songs der gesamten Bandkarriere präsentiert und kurz vor Schluss feiert man dicht gedrängt gemeinsam, den schlechten Nachrichten aus Fernsehen und Internet zum Trotz, zu „Mother“, dem Gassenhauer, den wirklich jeder kennt, der schon mal eine Indiekneipe von Innen gesehen hat.

Es gibt einem Hoffnung, dass Musik bedeutsam sein kann, ohne sich am Puls der Zeit zu orientieren, und darin sind alle Anwesenden sich einig – Danzig sind zurück, waren niemals weg, unsterblich: Gott (oder Luzifer) sei Dank!

Sebastian Wienert

Redakteur und Fotograf