Gemächliches Ausrasten mit Clawfinger im Schlachthof Wiesbaden
Sie sind endlich wieder auf Tour in Deutschland. Clawfinger besitzen seit den 90ern in der Crossover-Rockszene längst Kult-Status. Ihre Hits sind sozialkritisch und Ausdruck einer ganzen Generation. Am 10.10.2019 hat das Quintett im Schlachthof Wiesbaden gastiert, um genau da weiter zu machen, wo die Schweden zuletzt aufgehört hatten.
Punkt 20 Uhr beginnen Freezes Deyna und überraschen schnell mit energischem Crossover. Der Mix aus Rap und Hardcore zeigt gleich, wo es heute Abend hingehen soll. Turntable-Scrates und Samples prägen maßgeblich den Sound der jungen Schweizer. Der schlaksige Sänger rapt, shoutet zu den Stakkato-Riffs. Dennoch beweisen die Jungs, dass sie auch ruhiger können. Mal jazzige, mal bluesige Instrumentaleinlagen sowie klarer Gesang mischen sich munter unter die harten Beats sowie die growlende Stimme. Jedoch bleiben die Fünf den vorhersehbaren Gesetzen des Rapcore treu und liefern dem Publikum jenseits der Dreißig fette Refrains, welche nach kurzer Eingewöhnungsphase dankbar angenommen werden. So erfrischt das Quintett mit abwechslungsreicher Bandbreite. Dementsprechend dauert es auch nicht lange, bis Bewegung in die Menge kommt, zuerst noch zurückhaltendes Kopfnicken, das stellenweise bald bei den eingängigen Refrains in Hüpfen mündet. Freezes Deyna erweisen sich als rundum gelungener Support, der Spaß auf mehr macht.
Und mehr Spaß folgt. Mit einer eigenen Version des James Bond Titelsongs „Goldfinger“ – in dem Fall „Clawfinger“ – betreten die Schweden von Clawfinger die Bühne, um daraufhin ein Feuerwerk der guten Laune abzubrennen, das angelehnt ist an die erfolgreichen Jahre der Band. Dass diese Ära schon ein paar Tage auf dem Buckel hat, hat die Band auch festgestellt. „Wer ist hier, der damals „Deaf Dumb Blind“ gekauft hat, fragt Sänger Zak Tell. Die vielen aufzeigenden Hände, die von frenetischem Jubel begleitet werden, zeigen, dass viele des mittleren Alters anwesend sind. Der Frontmann bedankt sich fürs Kommen, um ein paar „middle aged men make a fool of themselves“ und zeigt stolz seinen kleinen Bierbauch.
Clawfinger präsentieren sich als eine in Würde gealterte Band, die mit viel Selbstironie einen erstaunlichen Sound liefern. Auch wenn die Jugend der Anwesenden schon eine Zeit lang her ist, weiß man sowohl auf der Bühne als auch in der Halle immer noch wie man so richtig abrockt. Mit einer sichtlich großen Portion Spaß spielt die Band ein Potpourri ihrer Hits. Zwischendurch gesellt sich schließlich noch der „eine neue Song“, den dann doch einige kennen. Die Skandinavier verstehen es ihre Fans weiter mitzureißen, um sie in guter alter Manier in Bewegung zu versetzen. Schnell wirbelt ein Moshpit im vorderen Zentrum des Schlachthofs, an den sich wohl am nächsten Tag so mancher noch erinnern vermag, ebenso wie an die Zeiten, in denen man einen solchen Kraftakt mit mehr Kondition gemeistert hat. Gehüpft wird auch kräftig auf der Bühne. Sänger und Bassist dotzen dort stellenweise wie ein Flummi herum. Währenddessen zünden die Hits wie „The Biggest & the Best“ noch immer und immer wieder neu. „Warfair“, „Nothing Going On“ oder „Catch Me“ versetzen viele in Ekstase und gelegentlich zurück in die 90er. Dann kommt laut Sänger „the last chance to go fucking crazy“. „The Truth“ und „Do What I Say“ lassen zum guten Ende die Mengen ausflippen. Clawfinger machen heute Abend im Schlachthof Wiesbaden richtig Spaß.
Nicht ohne Stolz blickt Sänger über die kopfnickende Menge. Das Alter scheint die charmante Band zwar zu beschäftigen, aber man hat seinen Frieden mit der Tatsache geschlossen, dass man mit dem Publikum alterte und gemeinsam in die Vergangenheit eintauchen möchte. So hinterlassen Clawfinger heute viele zufriedene sowie ausgepowerte Fans. Im Anschluss nimmt sich die Band sogar noch Zeit, um am Merchstand Autogramme zu schreiben oder Selfies zu machen.