Grausame Töchter faszinieren im 7er Club Mannheim

Grausame Töchter faszinieren im 7er Club Mannheim

Wenn die Hamburger Dark-Elektropunk-Band Grausame Töchter zum Tanze bittet, wird das zart besaitete Tanzbein eher selten auf dem Dancefloor vorzufinden sein. Am 28.04.2018 hat es somit einige mutige, dunkle Seelen in den 7er Club Mannheim gezogen, um eine faszinierende Darbietung mitzuerleben, die von Gier, Geilheit sowie Egomanie erzählt und dabei die Abgründe der eigenen Psyche aufwühlt.

Zunächst machen aber die The Pussybats im 7er Club Mannheim den Auftakt. Das Quartett zeigt sich von Beginn an gut gelaunt bei einem rockigen Sound. Und während die Band ihren bunten Mix aus ihren alten und neuen Liedern, die sie nach eigener Aussage „selbst nicht kennen“, präsentiert, füllt sich der gemütliche Club im weiteren Verlauf zunehmend. Zwischendurch streut die Band auch Elektro lastige Lieder, die getreu der Jahreszeit zum „Tanz im den Mai“ einladen, wie der Frontmann wiederholt betont. Dieser scheut schließlich sich nicht, auch mal mit Latex-Schweinemaske abzurocken. Nach knapp 45 Minuten räumen sie die Bühne für Dynastie. So brechen nun für die kommenden Minuten kräftige Synthesizer-Klänge durch den Saal. Der Sound mit seinen harten, metallischen Beats ist sich über weite Teile dominierend rhythmisch. Neben den eigenen Liedern versucht sich die Band aus dem Ruhrgebiet schließlich auch am Depeche Mode Cover „It’s No Good“, das vereinzelt zum Mittanzen motiviert. Doch so richtig will der Funke noch nicht überspringen, was sich aber schlagartig nach der Umbaupause ändert.

Denn um kurz nach 22 Uhr betreten dann die Grausamen Töchter im dichten Nebel die Bretter des 7er Clubs. Naja, zunächst sieht man nur eine einzig in einem Umhang gekleidete weibliche Gestalt, deren kompletter Kopf mit weißen Bandagen verbunden ist. Dahinter erscheint begleitet von harten Elekro-Beats die Gründerin und Sängerin Aranea Peel mit Zigarette in der Hand. Bevor die blonde Frontfrau noch zum Mikrofon greift, quellt Kunstblut unter der Kapuze über das verbundene Gesicht der immer noch starr stehenden Akteurin, die während der gesamten Show immer wieder als Bühnensklavin in Erscheinung tritt und dabei so manche Qualen aushalten muss bzw. will. Kurz darauf erscheinen die übrigen vier Künstlerinnen, so dass die Fans – viele anscheinend aus der Fetischszene, manche davon in den dazugehörigen einschlägigen Outfits – nun auch die nahezu blanke Schönheit der übrigen Bandmitgliederinnen bestaunen können. In den weiteren mehr als 90 Minuten folgt eine extravagante Darbietung, ein fesselndes Potpourri aus Provokation, Tiefsinn und bizarrer Kunst, die einerseits wie bei „Angst entstellt den Menschen“ bewusst schockt andererseits beispielsweise mit „Die ganze Welt ist ein Zirkus“ soziokulturelle Missstände unbeschönigt aufzeigt. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen. In den Songs, wie zum Beispiel „Mensch und Tier“, „Annika ist tot“ oder „Wie eine Spinne“, geht es mörderisch, sexuell, obsessiv, sadomasochistisch und zuweilen alptraumhaft zur Sache. Optisch unterstrichen werden die Inhalte durch die konsequent groteske Bühnenshow der ausdrucksstarken Peel mitsamt ihrer Mitstreiterinnen, die es schaffen das Publikum bis zum Schluss in ihren Bann zu ziehen. Die Grausamen Töchter sind definitiv keine leichte Kost und polarisieren mit Sicherheit auch an diesem Abend. Ihr Live-Auftritt im 7er Club ist ein professionell inszeniertes, musikalisches Gesamtkunstwerk, das mitunter den ein oder anderen befriedigt nach Hause schickt, auf jeden Fall aber viele fasziniert sowie begeistert hat.

Andreas Schieler

Leitung, Redakteur und Fotograf