Halloween Dudefest 2018 – The Ocean, The Hirsch Effekt u.a. lehren die Konkurrenz das Fürchten

Halloween Dudefest 2018 –  The Ocean, The Hirsch Effekt u.a. lehren die Konkurrenz das Fürchten
The Ocean @Halloween Dudefest 2018

An Halloween auf ein Post Metal Festival? Das ist aber nicht im Sinne des Erfinders mag der ein oder andere Banause denken. Was andere denken kann einem in diesem Fall aber herzlich egal sein, denn dieses Line-Up tauscht man gern gegen ein paar gruselige Klamotten. Und auch wenn Halloween nicht spurlos an jedem Besucher vorbei ging und existentielles Schwarz dominierte, versammelt hat man sich hier aus anderen Gründen.

Das Festival im Jubez Karlsruhe beginnt früh am Halloweenabend 2018 und MINSK und ZATOKREV spielen noch vor einer übersichtlichen Zahl an Zuschauern im Café. Dennoch wird schnell klar, dass man in erster Linie wegen der großartigen Musik hier ist,  und nicht nur für ein paar schnelle Biere.

Gewohnt agil zeigen sich dann The Hirsch Effekt, welche die Bühne im großen Saal eröffnen. Auf engstem Raum arbeiten hier drei Vollblutmusiker zwischen Kabeln und kompliziert verbundenen Pedalboards, Amps inmitten von Stroboskobscheinwerfern und Nebelmaschine. In perfekter Manier präsentieren die drei Hannoveraner ein ungeheuer tightes Set und schaffen wieder einmal diese vertrakt geniale Melange aus Show, Musik, Licht und Stimmung, aus Grindcore, Postmetal und schönen Melodien, welche sie so einzigartig macht. Es fühlt sich an wie eine leidenschaftliche Beziehung- kompliziert und wunderschön, mit Höhen und Tiefen, Streit und Harmonie -alles da!

Auf der Suche nach der 1 im Takt fällt es dem Zuschauer schwer sich zu entscheiden, auf wen man nun sein Augenmerk richten soll. Dabei scheinen alle drei gleichzeitig um die Aufmerksamkeit des Publikums zu buhlen, ohne sich anzubiedern, denn The Hirsch Effekt fühlen sich sichtlich wohl im Live-Kontext und kommunizieren stets auf Augenhöhe mit dem Publikum (Im Jubez ist das durchaus wörtlich zu nehmen.) Die effektvolle Show bringt schnell Bewegung in die Menge kann und spätestens bei Ligaphob (Der Hit einer Band, die per Definition keine Hits hat) nicken alle Köpfe im Takt. Inukshuk wird schon gefeiert, und unter lautem Applaus verlassen die Musiker schließlich die Bühne.

Telepathy aus Großbritannien gehen die Sache schon etwas weniger hektisch an. Russian Circles mit Blast Beats im Instrumentalkleid lassen grüßen, so präsentiert sich das Quartett gut eingespielt und empfehlenswert. 

Dann eröffnen Arabrot den zweiten Teil des Abends und bringen wieder Ruhe ins Spiel, hüllen den Raum bereits bevor erste Töne angeschlagen werden in Räucherstäbchenduft. Es wird Rotwein auf der Bühne getrunken, Eine Keyboarderin im Kimono, eine militärische Melodie als Intro, die an den Eimarsch der Südstaaten im Bürgerkrieg erinnert. Dann die Überraschung, Beck meets Metz: Teilweise im Kavallerieoutfit präsentiert das norwegische Quartett Noise Rock mit vermeintlichen Nonsens-Lyrics, wenngleich eine ungewöhnliche Härte hervorkriecht wie ein wildes Tier, ein Wolf im Schafspelz. Das aufgesetzte Gewand der meditativen Ruhe täuschte also. Bisweilen schleichen sich auch catchy Refrains ein, wie im Song Ticktack. 

Rosetta aus Philadelphia kehren das Blatt wieder um, bereiten den Weg für den Headliner mit sphärischem Postmetal und Hardcore. Solide gespielt, minimalistisch präsentiert. Sänger Mike windet  sich in Weltschmerz und Ekstase und besingt die Komplexität der Welt in zeitloser Manier. Trotz der enormen Druckwirkung ihrer Musik finden sich melancholische Klänge, denn die gewollt unprätentiöse Präsentation erweist sich als wirkungsvoll und das Publikum dankt es ihnen mit warmem Applaus. 

Und schließlich die ersehnten Headliner The Ocean fluten bereits mit den ersten Klängen den Raum. In gedämpftes Licht getaucht betreten sie beinahe unbemerkt die Bühne und beginnen ihre stimmungsvolle Show, die erste auf ihrer Tour durch Eourpa mit Rosetta und Arabrod. 

Kleine Anlaufschwierigkeiten lassen die Zuschauer kurz aus der Konzentration erwachen, denn die Snaredrum muss bereits nach Song 2 ausgetauscht werden, doch dann läuft alles glatt. Großen Stehleuchten tauchen die Band in atmosphärisches Licht und mit der Klaviatur des Perfekten ergießt sich neues und altes Material über die begeisterte Menge. Ein Konzert der Konzeptkünstler ist stets eine fein abgestimmte Komposition, der man den langen und komplexen Entstehungsprozess anmerkt, live und auf der Platte. Es ist, als ob Robin Stabs und seine Mitstreiter jahrelang mit viel Liebe zum Detail die Farben mischen, um dann im Verlauf der Show vor den Augen (und Ohren) der Fans ein kompositorisch perfektes Bild entstehen zu lassen.

Das Kollektiv als reines Kunstprodukt abzutun, würde der Sache jedoch auch nicht gerecht werden, denn die Jungs haben Spaß am Rocken und das zeigen Sie auch: Beim Bad in der Menge lässt sich Sänger Loic über die Menge tragen. Kein Moshpit, dennoch werden die Post-Metal Könige gefeiert, wie es ihnen gebührt.

Neues und altes Material wird zu einem breiten Spektrum verknüpft und offenbart die musikalische Vielseitigkeit des Kollektivs, denn Post Metal ist eine Summe vieler Stile, welche die Band allesamt einzusetzen weiß. Sänger Loic beweist gesangliche Fähigkeiten auf mehreren Ebenen, melodischer Gesang in tragenden Refrains und auch kraftvolles Schreien, gerade vorherrschend in den älteren Songs, beides wurde mit jeder Platte besser, ausgefeilter. Durch die Wurzeln ihrer frühen Werke, zusammen mit den sphärisch-melodischen Songteilen der neueren Werke entsteht diese bitter-süße Brachialität, welcher man sich kaum entziehen kann.

Am Ende geht der Zuschauer satt und zufrieden in die Gruselnacht hinaus, die lediglich namensgebend für einen erfüllenden Konzertabend war. Die Maßstäbe für das kommende Halloween Dudefest sind hoch angesetzt und man darf gespannt sein!

Sebastian Wienert

Redakteur und Fotograf