Prophets of Rage made Wiesbaden Rage again
Nach ihrem umjubelten Auftritt auf dem Wacken Festival beehrt die Supergroup um Ausnahmegitarrist Tom Morello Deutschland mit zwei Clubshows, eine davon am heutigen 06. August 2019 im Wiesbadener Schlachthof.
Dass der Zusammenschluss professioneller Musiker aus verschiedenen erfolgreichen Konstellationen nicht immer gut geht, hat uns die Vergangenheit schon gelehrt. Oft einigt man sich auf ein Konzept, welches entweder der kleinste gemeinsame Nenner oder ein Musikgenre ist, welches allen Beteiligten liegt. Audioslave oder Velvet Revolver haben so respektable Alben veröffentlicht, welche jedoch nicht ganz an den Erfolg der vormaligen Gruppe der Musiker anknüpfen konnte.
Mit den PROPHETS OF RAGE verhält sich das anders, denn die Melange aus dem unverwechselbaren Sound von RAGE AGAINST THE MACHINE und den beiden Rap Größen Chuck D (PUBLIC ENEMY) und B-Real (Cypress Hill) funktioniert hervorragend, ohne dass wir die großartigen Vocals von Zach de la Rocha vergessen werden. Hinzu kommt, dass die Musiker eben nicht nur auf die gleiche Musik stehen, sondern auch dieselben gesellschaftskritischen Botschaften in ihren Songs vertreten.
Die Messlatte liegt nach einem hervorragenden ersten Longplayer hoch, sind die beiden Rapper doch alte Hasen des Business und RATM als exzellente Liveband bekannt. Und die Spannung ist förmlich spürbar, als wir den gut gefüllten Schlachthof betreten. Wir sollten nicht enttäuscht werden…
Ein äußerst passender Einstieg gelingt den Nova Twins, die alles andere als verträumten Indipop abliefern, wie der Name suggeriert. Nein, zwei unverbrauchte und unverschämt junge weibliche Musikerinnen und ein Drummer machen knarzigen Hiphopsound mit groovigem Shoutout-Rock Rap. Sie verwenden Riffs wie Samples, vor allem Bassistin Georgia South setzt mit viel Effekt höllisch groovige Space-Sounds in die Welt, die von Sängerin und Gitarristin Amy Love zu messerscharfen Rap n Rock Nummern verwandelt werden, wie die neueste Single „Devils Face“ zeigt. Von Rock- bis Ambient, Fusion- bis Punk-Funk Sounds, alles zaubert sie mit ihren 4 Saiten und ihrem Wah Pedal.
Love hingegen überzeugt mit ein bisschen Craziness und ihrer selbstbewusst-frechen Attitüde. Enorme Spielfreude und eine Portion Metal, aber auch viele elektronische Einflüsse zeichnen den Sound der Gruppe aus. Die Songs werden mit einer Coolness vorgetragen, die manche Musiker zu Lebzeiten nicht erreichen und das offensichtlich rockorientierte Publikum lässt sich nach kurzer Gewöhnungsphase schließlich auf die tanzbare Mischung ein. Die beiden Musikerinnen werden nicht müde zu erzählen, wie aufgeregt sie sind, dass sie von den POR persönlich als Support angefragt wurden. Dies finden wir gar nicht so überraschend, schließlich findet sich doch auch im Sound der Headliner ein ähnlicher Groove wieder.
Nach einer kurzen Umbaupause überbrückt DJ Lord mit Guitar und Rap Sounds der Neunziger, aber auch Sabbath, Slayer und Rap Klassikern eine vermeintliche Umbaupause. Das anfangs skeptische Publikum ist zurückhaltend, als er mit der Hendrix’s Version der National Anthem einsteigt, aber als der technisch versierte DJ in immer kürzeren Abständen die Gassenhauer aneinanderreiht, überträgt sich die Vorfreude auf die bevorstehende Show schnell auf das Publikum, welches insgesamt an diesem Abend in Feierstimmung ist.
Es dämmert uns langsam, dass die Prophets sich direkt von diesem Mann auf die Bühne bringen lassen und ehe man sich versieht stehen sie zum eingespielten Sound der Bombensirenen auf einmal da.
Mit „Prophets of Rage“ und „Testify“ steigt die Band ohne Umschweife und unter frenetischen Beifallsbekundungen ein und schnell werden Rocker zu Hoppern und umgekehrt. Dass die alten RATM Songs stadiontauglich sind, war allen Anwesenden klar, aber die Energie des eigenen Materials der Band ist ebenfalls enorm und die Menge zeigt sich feierwütig. Mit fliegendem Bierbechern und einem großen Tanzpulk vor der Bühne zu Songs wie „Unfuck the World“, „Made with Hate“ und „Living on the 110“ zeigt sich die Relevanz dieser Band und ihren Ansichten für die moderne Zeit, ideologisch und musikalisch.
Auch wenn die Bandmitglieder bereits früher schon zusammen aufgetreten sind (RATM begannen ihre Karriere im Vorprogramm von Public Enemy und haben mit Cypress Hill in den Neunzigern durch Nordamerika getourt) haben die Künstler durchaus eine unterschiedliche Bühnenwirkung und versuchen diese gar nicht zu anzupassen, nur weil sie nun in einer gemeinsamen Band spielen. Dennoch funktioniert es wunderbar und wirkt nicht wie eine generierte Supergroup. Man lässt sich Raum, man wirkt und nimmt nicht den Raum des jeweils anderen ein. Dies wird gerade deutlich, als die beiden Frontmänner zusammen mit dem ehemaligen Public Enemy Plattenleger DJLord ein Old School Medley präsentieren, welches die wichtigen Songs von Public Enemy und Cypress Hill zusammenbringt und in der HOUSE OF PAIN Hymne „Jump Around“ gipfelt und das Publikum zum Durchdrehen bringt. Mission erfüllt!
Dennoch: Prophets of Rage und ihre Musik sind fest in den Zügeln von Tom Morello und seinen genial groovigen Riffs, diese rhythmisch perfekten, brachialen Melodien, die abgedrehten Soli, wie er seine Gitarre und den Killswitch-Button bearbeitet und sein Vibes verbreitet, ist einzigartig und macht ihn zu weit mehr als nur einen Instrumentalisten.
Die Mischung der Klassiker aller anwesenden Musiker ist unwiderstehlich stimmig und daher ist es wenig erstaunlich, dass die Band das Set mit jeweils einem essentiellen Song von Cypress Hill („How I could just Kill a Man“) und dem radikal-genialen „Fight the Power“ von Public Enemy sowie den zwei unvergessenen Rage Against The Machine Songs „Bulls on Parade“ und „Killing in the Name“ beschließt. Die Wucht der letzten Songs ist nach wie vor überwältigend und das Publikum zeigt es der Band durch frenetischen Beifall und einer ungebrochenen Bewegungswut.
Nach 80 Minuten ist dann alles vorbei, berauscht und zu jeder Revolution bereit entlässt uns die Gruppe viel zu früh in den Abend. Please make us Rage again soon!
Fotos von Andreas Schieler