Punk in Drublic: NOFX, Bad Religion und Co zelebrieren den geplanten Ausnahmezustand

Punk in Drublic: NOFX, Bad Religion und Co zelebrieren den geplanten Ausnahmezustand

Das Punk Music and Craft Beer Festival, benannt nach dem essentiellen NOFX-Album aus dem Jahre 1994, zieht wieder um die Welt. Fat Mike, Sänger der Band NOFX und Labelchef von Fat Wreck Chords, ruft die Szene zusammen und gerne sind Bands wie Bad Religion, Lagwagon oder Anti-Flag seinem Ruf gefolgt. Mit Punk In Drublic hat sich ein Minifestival-Konzept nun auch in Europa etabliert, das einiges zu bieten hat, nicht nur musikalisch. Am 10.05.2019 hat es in der Saarlandhalle Saarbrücken gastiert, wo im seit Wochen ausverkauften Haus mächtig – und diesmal auch wörtlich – der Punk abgegangen ist. 

Aber zurück zum Anfang:  Als wir uns um 16 Uhr in die  großen Kongresshalle begeben, wirkt man zunächst etwas verloren. Die etwas bieder anmutende Halle schluckt zunächst die ersten Gäste, die sich um die großen Merchstände tummeln und das erste Karlsberg (statt Craft Beer) vor oder im Eingangsbereich der Halle zu sich nehmen. So richtig Punk Rock fühlen wir uns noch nicht, aber wir sind überzeugt: Das beeindruckende Line -up wird’s schon richten! Dass die nächsten Stunden geprägt von exzessivem Bierkonsum sein werden und der Feinstaub vom Abrieb tausender Chucks und Doc Martens Sohlen in der Luft liegen wird, das ahnen wir da noch nicht.

The Bombpops eröffnen das Festival vor noch überschaubarem Publikum, was wahrscheinlich der frühen Zeit geschuldet ist. Im Anschluss liefern The Lillingtons zackigen Punkrock, schnörkellose zweieinhalb Minutensongs ohne Punkt und Komma, während die Halle sich langsam füllt und die ersten Gäste die Ränge erklimmen. Das Quartett aus Newcastle (Wyoming) sorgt dafür, dass die Stimmung um halb fünf schon gut ist. Für Balladen ist hier kein Platz, dafür aber für gefällige Refrains und schnelle Powerchords.

Punk im Schottenrock zeigen The Real McKennzies, die schon beim Soundcheck mit der Star Wars Melodie auf Dudelsack für erste Begeisterung sorgen. Die Mehrgenerationengruppe aus Kanada lädt zum Ceilidh (ein gälischen Ausdruck für eine tagelang andauernde Party mit Musik) ein und mit dem Selbstbewusstsein und dem Spirit einer vielgereisten, aber traditionsliebenden Band zieht diese schnell mehr Leute vor die Bühne. Sänger und Gründungsmitglied Paul erscheint wie ein geschichtenerzählender Mafioso mit Lebemannausstrahlung. Die Truppe hat die Leute schnell im Sack. Folkpunk ist eine bewährte Mixtur, die Gefälligkeit und trinkselige Tanzwut mit Lager oder Whisky auffüllt und umrührt. „This could be the best day of your life, Gentlemen“, ruft Paul und er sowie seine Mitstreiter werden mit frenetischem Applaus verabschiedet.

Mit Anti-Flag kommt nach zelebriertem Zechgelage die politische Botschaft zurück. Mit umgekehrter USA-Flagge als Kontrast zum Patriotensymbol schlechthin setzen die vier Jungs ein klares Zeichen. Dass die Band aus Pittsburgh schon lange zur Königsklasse des relevanten Sing-Along- Punkrocks gehören, wird heute deutlich. Riesenstimmumg und Pogo, da fällt die radikale Botschaft in Songs wie „Fuck Police Brutality“ fast nicht auf. Gesellschafts- und Religionskritik vermengen sich mit Teenage-Revolte, eine Menge Mittelfinger, wo sonst Teufelshörner sind, zieren die Aussicht von der Bühne aus und die Buben sind sichtlich zufrieden. Eine feurige Ansprache gegen alle möglichen -Phobias und -Isms findet breite Zustimmung, sogar gegen die AFD wird gewettert. Die Jungs haben ihre Hausaufgaben gemacht und mahnen die Feiernden zur Rücksicht („If someone falls down we pick them up“) und zum Gemeinschaftsdenken: „Brothers and Sisters shake your neighbors.“ In existentialistischem Schwarz werden die Massen bewegt und der Circlepit wie ein gigantischer Thermomix gewälzt. Anti-Flag beschäftigt dabei nämlich das Publikum und die Security. Der Moshpit ist um ein Mehrfaches angestiegen, was mit einigen Crowdsurfern einhergeht, die freundlich von den Sicherheitskräften wieder zu Boden gehoben werden. Die Stimmung in der Halle hat das nächste Level erreicht, inzwischen ist die Halle voll, aus dem Pit wird man regelmäßig einer Bierdusche unterzogen und die Menge tobt ausgelassen zu den harten Riffs von Anti-Flag

Ska-Punk aus Florida bringt im Anschluss Good Vibes in die saarländische Ausgabe des Punk in Drublic Festivals. Less than Jake brechen schließlich mit der Ernsthaftigkeit und bringen den Tanzvibe in die Punkrockriege zurück. Ein Haufen hampelnder Bläser, Rastas, das ganze Programm lässt über den schnellen Punksound nicht hinwegtäuschen, der die Grundlage für den Bandsound bildet. Dabei wird ungeniert über German beer, Schnitzel und andere Freuden palavert.  Musikalisch irgendwo zwischen Mighty Mighty Bosstones, Millencolin und den Labelkollegen Mad Caddies verankert, fühlt sich die Großband sichtlich wohl in der Rolle der Klassenclowns. Eine willkommene Botschaft an das feierwütige und biertaumelige Publikum. Bassist Roger Manganelli beschreibt ihre Heimat als den Teil der USA, der „ein wenig wie ein Penis aussieht“ (Florida) und ist sich für kaum einen Kalauer zu schade. Manisch grinsende Maskottchen schießen beim großen Finale zu Klopapierkanonen umfunktionierten Laubbläser auf das Publikum, und wir fragen uns: Kann es noch besser werden? Das sollte jeder selbst entscheiden, Abwechslung hätte man bisher jedenfalls genug. Die positive Energie hat sich schnell im Raum bereitgemacht, wo nun auf den Rängen stellenweise getanzt oder kräftig mitgesungen wird.

Im abwechslungsreiche Line-up ist nun Lagwagon an der Reihe. Nach den Rampensäuen von Less than Jake gehen es die Kalifornier auch gechillt an. Treibende Gitarrenriffs, die zum moderaten Gesang erklingen, treffen den Nerv des bunt gemischten Publikums. Unermüdlich gibt man sich im zentralen Teil des Infields dem allseits beliebten „Schubsetanzes“ hin, wo weiterhin nicht ganz geleerte Bierbecher das Fliegen lernen, um sich gleich drauf über verschwitzte Menschen zu ergießen. Derweil scherzen die Bandmitglieder selbstironisch bei den Ansagen. Lagwagon haben sichtlich Spaß, allem voran die Saitenspieler, die über die Bretter wirbeln und sich dabei necken. 

Das wahre Headlinerprogramm beginnt mit den Dinosauriern des Abends: Bad Religion. Die Stimmung ist ohnehin auf dem Höhepunkt und die Wegbereiter und Stammhalter des politischen, gesellschaftskritischen Punkrock sind aktueller denn je und die bis zum Rand gefüllte Saarlandhalle empfangen sie wie Heilsbringer. Die Punkrock-Ikonen legen in ihrem bekannten Stil los und bei Hits wie „Los Angeles is burning“ gibt es kein Halten mehr. Greg Graffins unverwechselbare Stimme singt über „New Dark Ages“ und wird angetrieben von Brett Gurewitzs Gitarre. Das Gründungsmitglied an der Gitarre steht am linken Bühnenrand, während auf der anderen Seite mager, mit Sakko und Hut Kaugummi kauend Mike Dimkich seine Saiten bedient. Der promovierte Evolutionsbiologe Graffin wandert wie das dritte Ur-Mitglied Jay Bentley am Bass unentwegt über die Bühne. „21st Century Digital Boy“, „Fuck You“ und „American Jesus“ lassen die Menge ausflippen und einmal mehr ist die Security gefordert.  Vor der Bühne bis zur Mitte der Halle ist richtig viel Bewegung drin. Zum Schluss gibt es noch neues Material („My Sanity“) und den sehnlich erwarteten „Punkrocksong“, der das vorzeitige Highlight markiert. Bad Religion sind selbst nach fast vier Jahrzehnten kein wenig müde und werden zu Recht frenetisch gefeiert. Wen stört es, dass manche Songs gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Genau dieses Markenzeichen erweist sich als der Kit, der die Punkrockwelt zusammenhält. Dass die Band auch eingängige Rocknummern kann, lässt sie immer wieder durchklingen. Aber der Punkrock-Vibe ist das Markenzeichen jedes guten Songs.

Was wäre Punk in Drublic ohne den Urheber? So gibt es zum krönenden Abschluss NOFX. Fat Mike, El Hefe, Eric Melvin und Erik Sandin zeigen zunächst ihre Entertainerqualitäten, bevor sie endlich musikalisch loslegen. Fat Mike – heute mal im roten, kurzen Samtnachthemd – läuft zu „Time Warp“ ein und zieht über Bandkollegen des Genres – bevorzugt aber über Blink 182 – her. Eigentlich wird über alles gelästert. Über das Wort Schadenfreude (welches es in die Englische Sprache Geschäft hat), die Franzosen und der deutschen Liebe zu deren Sprache, Frauen, die auf den Schultern ihrer Freunde sitzen, Mitklatschern und wieder mal Blink 182. Klar ist das inszeniert, aber zwischen all dem Klamauk gibt es jede Menge Punkrock, tight gespielt und voller Energie, für die wir NOFX so lieben. Die Fans in der Saarlandhalle sind ebenfalls angetan und genießen es auf alt bekannte Art und Weise: außer Rand und Band mit viel Bier. Nach immerhin 25 Songs und Gassenhauern wie „Kill all the White Men“, „Les Champs- Elisees“ oder „Linoleum“ verlassen wir voll (bepackt) mit Fotos, Merch und Hopfenkaltgetränk die Saarlandhalle, die heute als die Höhle des Punk eine gute Figur gemacht hat.

Sebastian Wienert

Redakteur und Fotograf