Royal Blood in Wiesbaden: Zwei Mann erfreuen mit großem Sound
Die Liste erfolgreicher Duos ist überschaubar- und damit meinen wir nicht die unzertrennlichen Pärchen, die gemeinsam mit einer Band ein mehr (z.B. Simon & Garfunkel) oder weniger (z.B. Modern Talking) gutes Erbe hinterlassen haben. Am 23.07.2019 zeigen uns die zwei Briten von Royal Blood im Schlachthof Wiesbaden, dass man zu zweit einen eingängigen und eigenständigen Sound für das 21. Jahrhundert schaffen kann, nicht nur im Studio, sondern auch live.
Unser Respekt galt vorher bereits gut funktionierenden und erfolgreichen Trios wie Muse, Motörhead, The Police. Sie alle waren für Ihre großartigen Liveshows bekannt. Wird die Anzahl um eine Person reduziert, wird die Luft schon dünner. Man denke an Mantar und The White Stripes, die mit Gitarre und Schlagzeug schon ein breites Spektrum abdecken. Aber Bass und Schlagzeug? Wir sind mehr als gespannt …
Ein bunt gemischtes junges und jung gebliebenes Publikum hat bereits einen Großteil der Veranstaltungshalle in Wiesbaden belagert, wo mit unglaublichem Getöse Demob Happy aus Brighton den Abend beginnen. Das junge Trio spielt einem stark Siebziger beeinflussten Lo-Fi-Sound. Organisch und schleppend die Drums, mit noisy Gitarre und Songs im Jam-Charakter schlagen sie zumindest soundtechnisch eine Brücke zu den Headlinern. Die monoton-durchdringenden Riffs sind von bestechender Härte und so liefern die drei Nachwuchshippies solide Kost, hitverdächtige Songs bleiben aber heute Abend aus. Mit „Less is more“ und dem Song „Meet me at the Corner“, der an späte, psychedelische Beatlesphasen erinnert, beschließt die Band ihre Performance.
Minimalistische Leuchtstreifen auf den Stufen des Bühnenaufbaus erinnern uns entfernt an eine Fernsehgala, ein futuristisches Podest offenbart dann allerdings ein mächtiges Schlagzeug, keine Poserschießbude à la Mötley Crue, aber umfangreich und vielteilig. Auffällig ist dabei vor allem der gigantische China Gong im Hintergrund, dessen Einsatz wir kaum erwarten können. Und dieser beginnt bei gedämpftem Licht als Royal Blood unter Applaus die Bühne betreten. Zu einem genialen Zusammenspiel der zahlreichen LED Bars, -leuchten und -bahnen , welche auf der gesamten Bühne angebracht sind, spült die Band den Opener „Hook, Line and Sinker“.
Sogleich fallen uns die unfassbaren Gitarrensounds, die Bassist Mike Kerr seinem Instrument entlockt. Hinter ihm mehrere hintereinandergeschaltete Amps lassen schnell Zweifel aufkommen, ob er wirklich einen Viersaiter bedient, und überhaupt spielt er den Bass wie eine Gitarre. Die Drums von Ben Thatcher sind prägnant und gut auf die Basslines und -riffs abgestimmt, aber der Sound ist deshalb keineswegs minimalistisch oder „dünn“. Trotz dass nur zwei Musiker auf der Bühne stehen und diese durch ihren musikalischen Einsatz schwer die Position wechseln können, sieht diese keineswegs leer aus. Sänger Mike holt sich stets seinen verdienten Applaus, indem er in Gesangspausen nach vorne tritt und die Menge mit gespielt-empörtem Bilck zum Jubeln, später auch mit „Let’s have a great fuckin time“ zum Feiern auffordert.
Das Programm ist ein Querschnitt der beiden Kommerziell erfolgreichen Alben. Kerr Lässt sich bei fast jedem Lid einen anderen Bass anreichen und die beiden machen ihren Auszeichnungen zur besten Live Band alle Ehre, denn sie haben es: erdiger Garagenrock, die Riffs, die Posen der Rockstars und vor allem haben sie die Songs, dynamisch, bluesy und eingängig. Hinzu kommen Killer Refrains, ein eigenständiger Sound und vor allem: es groovt! Wir kennen alle die Bands hochkarätiger Profis, die aber nicht den Eindruck erwecken, als ob sie jenseits der Bühne miteinander geprobt, gejammt oder Bier getrunken hätten. Dies scheint bei den beiden Blaublütern des heutigen Abends anders. Ein eingespieltes, fast brüderliches Verhältnis bestimmt das Zusammenspiel und das ist spürbar. Die innovative Spielweise Kerrs und die durchdachten Akzente Thatchers an den Drums funktionieren. Die Songs bauen Spannung auf, vereinen Dynamik und Eingängigkeit und haben dennoch Überraschungselemente.
Hinzu kommt dass Erscheinungsbild von Royal Blood: Frisch, unverbraucht und hungrig, fotogene Endzwanziger, die bereits eine große Fanschar hinter sich vereinen. Und die Gäste kennen das Material am heutigen Abend und feiern sie. Fast unmerklich und unprätentiös erscheinen zwei Backgroundsängerinnen, die eine kaum vermisste Lücke der Zweitstimme schließen. Sie bleiben unbeleuchtet, denn um diese geht es heute nicht. Die Attraktion bleibt, was Mike aus seinem Bass zaubert, ein Sound so abwechslungsreich, dass mancher Gitarrist bleich würde. Dafür greift er natürlich tief in die Trickkiste, bearbeitet ständig Pedale und lässt sich zwischen den Liedern Bässe oder verschiedene Instrumente (Keyboards) anreichen. Dennoch: Das alles geschieht fast beiläufig und doch mit großer Pose. Die in Rotlicht getauchte Bühne und der Gesang der Leute zu „Little Monster“ und das Stroboskob treiben Kerr an die Grenzen, es gelingt ihm Riff und Sololine gleichzeitig zu spielen. Eindeutig groovy, dabei befolgen viele Songs den rigiden Regeln des Blues, nicht á la Rolling Sones, eher LED Zeppelin meets Kyuss. Ein junges Publikum und Menschen aller Couleur fröhnen einer althergebrachten Musikform in britischen Gewandt, die man lange nicht mehr so frisch erfahren könnte. Ein Keyboardrack wird für „Hole in your Heart“ aufgestellt und die letzten Songs haben weisen auch Rap und Gospel Elemente auf.
Die Symbiose aus (Nacht)Clubbeleuchtung und der Instrumentalisierung, bei der jeder Ton Relevanz hat und bewusst gesetzt wurde, ist einzigartig. Um 22:20 wird die Show zum Finale gebracht und unter frenetischem Jubel lassen sich die Jungs für weitere zwei Songs auf die Bühne bitten. Mit fettem Groove und Gin Flasche in der Hand wird die letzte Runde eingeläutet und das fantastische „Figure it Out“ beschließt einen denkwürdigen Abend für die moderne Gitarrenmusik. Mehr davon!
Fotos von Andreas Schieler