Zwischen Metal und Pop: Suns Brutal Pop begeistert Wiesbaden und Karlsruhe

Zwischen Metal und Pop: Suns Brutal Pop begeistert Wiesbaden und Karlsruhe
Sun - Kreativfabrik Wiesbaden 25.09.2024

Hast du schon einmal von Brutal Pop gehört? Falls nicht, dann war entweder der 25.10.2024 beziehungsweise der 27.10.2024 ein perfekter Abend, um die Antwort in der Kreativfabrik Wiesbaden oder im P8 Karlsruhe zu finden. Die kleinen, charmanten Clubs wurden zu Schauplätzen für ein eigenes von Sun kreiertes Genre zu erleben. Unter den nicht wenigen Acts mit Namen Sun hat es sich die französische Songwriterin, Sängerin, Gitarristin und Schauspielerin zur Aufgabe gemacht hat, Genregrenzen zu sprengen. Ihre musikalische Reise ist beeindruckend: Einst schrie und schredderte sie als Gitarristin und Sängerin in der Death Metal-Band Psychobolia durch die Underground-Szene, verkörperte Edith Piaf auf internationalen Musicalbühnen, trat bei The Voice France auf und belegte mit einer Original-Komposition den 2. Platz beim Eurovision Song Contest.

All das klingt vielversprechend und irgendwie hat man das Gefühl, hier einen echten Geheimtipp live zu erleben. Wir hatten das Glück, Sun zuerst in der Kreativfabrik Wiesbaden und nun im P8 in Karlsruhe zu erleben. Die intime Atmosphäre der beiden Venues boten einen tollen Rahmen für diese genreübergreifende Performance.

Langsam füllt sich der Club und bis zum Konzertbeginn hat jeder einen guten Platz vor der Bühne oder nahe der Bar gefunden. Vorne huscht wohl eine der Organisatoren vorbei und sagt uns, dass es gleich losgehen kann. Alles fühlt sich gemütlich sowie familiär an und so ist auch die Stimmung. Karoline Rose Sun betritt den Raum in einem langen, weißen Kleid mit langer Schleppe – fast wie eine Braut. „Ich freue mich heute bei euch zu sein“, begrüßt die Französin liebevoll das Publikum. Mit einer passenden weißen Gitarre eröffnet sie das Set und die ersten Töne verraten sofort, was hinter dem Begriff Brutal Pop steckt: Es ist kein sanfter Pop, der einfach mit einem Hauch Metal überzogen wird, sondern ein treibender, rockiger Sound, der sich immer wieder mit poppigen Melodien und metallischen Growls mischt, wie beispielsweise bei dem Lykke Li Cover „I Follow Rivers“. Es sind aber auch die eigenen Werke, „Wave“, die zunächst vor sich hin grooven, plötzlich Fahrt aufnehmen, in melodischen Schreigesang gipfeln, um gleich darauf sanft auszuklingen.

Begleitet wird Sun von ihrem italienischen Drummer und dem Bassisten aus dem Libanon, der die Bassgitarre auch mal gegen das Keyboard tauscht. „Wichtig, dass wir alle zusammen sind und das kein Hass nirgendwo gewinnt“, stellt die Französin ihre Bandmitglieder vor. Trotz schmaler Besetzung macht das Trio macht mächtig Druck und produziert einen voluminösen Sound. Der Bassist ist unaufhörlich in Bewegung und hüpft über die kleine Bühne. Doch das Spotlight gehört der blonden Musikerin, mit ihrer energischer Bühnenpräsenz den Raum füllt. Wenn sie nicht gerade am Mikro steht, fliegen über den Ventilatoren immer wieder ihre langen zu ihren Gitarrensoli oder instrumentale Stücken. Sun entfesselte eine Energie, die das Publikum von Anfang an mitriss. Ihre raue, kraftvolle Stimme schwang mühelos zwischen emotionalem Pop-Gesang und tiefen Metal-Growls, die von heftigen Gitarrenriffs sowie Double-Bassdrums untermauert werden.

Eines der Highlights ist Suns Cover von „Survivor“ – der poppige Hit von Destiny’s Child, der hier jedoch zu einer gewaltigen, metallischen Hymne mutiert. Der Kontrast zwischen den härteren und sanfteren Elementen ist faszinierend und fesselnd zugleich. Auf der Setlist stehen vor allem neue Werke des kommenden Albums. Nach etwa 70 Minuten hat sie dann fast ihr komplettes Repertoire – so die Künstlerin – gezeigt und verlässt unter tosendem Jubel die Bühne. Beide Konzerte haben bewiesen, dass Brutal Pop eine fesselnde Mischung aus Melodie und Härte ist, ein neues Genre, in dem sich Metal, Pop und Emotionalität auf neue Weise vereinen. Sun ist definitiv ein Name, den man sich merken sollte und eine Musikerin, die mühelos auf große Bühnen gehört (werden soll).

Im P8 Karlsruhe eine weitere Band auf dem Programm: Vulvarine aus Wien. „Vulvarock“ nennen die Sisterhood ihren Sound – eine explosive Mischung aus Punk, Heavy Metal und Rock ‘n’ Roll. Eine „Good Time“ versprechen die jungen Damen mit ihren Gitarristen „Vulvus“, als sie unter Jubel die kleine Bühne betreten. Das Quintett aus Österreich präsentiert rotzigen Hardrock mit Punk-Elementen. Zehn Tourtage am Stück sei anstrengend, aber „wir wollen das – das macht Spaß“, so Sängerin Suzy Q. Die Energie zündet beim Publikum und die rollenden Riffs bei „Bad Medication“ lassen keinen mehr ruhig stehen. Die Band versprüht eine jugendliche Dynamik, ihre Outfits erinnern an die glorreichen Tage des Glam-Metal und Punk der 80er: Bandanas, enge Röhrenjeans, Kutten und ein „Santanic Feminist“-Shirt. Vor der Bühne tobt ein kleiner Moshpit – zunächst nur mit Mädels. Zum No Doubt Covers von „I’m Just a Girl“ ruft Gitarristin Sandy Dee alle Frauen nach vorne. Die Botschaft ist klar: Female Empowerment steht hier im Mittelpunkt. Erst bei „Randy Haze“ steigen dann vorsichtig auch die ersten männlichen Fans mit ins Getümmel ein, in dem inzwischen auch Sandy mitmischt. Beim Finale drehen die Fünf mit „Rock Bottom“ sowie „Something“ nochmals richtig auf. Vulvarine begeistern fast eine Stunde mit ihrer Energie geladenen Punkrock-Performance und werden nach dem obligatorischen Foto mit gebührendem Applaus verabschiedet.

Andreas Schieler

Leitung, Redakteur und Fotograf